A N G L I N U S

Abt von Stavelot-Malmédy, urkundlich belegt von vermutlich 747 (oder 746) bis 755

Mit einer Urkunde[1], die in Wasseiges[2] am 06. Juni vermutlich im Jahr 747 oder 746[3] ausgestellt wurde, schenkt[4] der Hausmeier Karlmann mit dem Konsens seines Sohnes Drogo[5] dem Abt Anglinus[6] zur lebenslangen Nutznießung für das Kloster Stavelot-Malmédy[7] mehrere villae[8] samt allen zugehörigen Besitzungen: die villa Leignon[9] mit im Condroz[10] Conneux[11], Massogne[12], Ychippe[13] und Barcenne[14], auch Reux[15], Purnode[16], Halma[17] et Haist in Guoldo manso[18], Solongne[19], die villa Wellin[20] mit Reux[21], Olisna[22], Ferrières[23], Paliseul[24] und Braibeteau[25]. Nach seinem Tod soll sein Neffe Gotbaldus die villa Wellin als Prekarie erhalten. Außerdem schenkt Karlmann zwei Orte, Mosali[26]  und Barcenne[27] mit vier genannten Hörigen aus dem Condroz[28].
Am 15. August 747[29], in Duna villa[30], schlichtet der Hausmeier Karlmann mit einigen Großen auf einer Gerichtssitzung den Streit zwischen dem Abt von Stavelot-Malmédy Anglinus und sich selbst über die villa Lierneux[31] mit Pertinenzien[32], die Pippin, sein Großvater, dem Kloster urkundlich geschenkt hatte[33]. Das Kloster und seine Mönche erhalten den Besitz durch Urteilsspruch zurück.
Am 27. Mai 748, in Malmédy[34], schenkt ein Albricus[35] dem von Abt Anglinus geleiteten Kloster Stavelot seinen Besitz in Lignières[36] im Ardennengau.
Mit einer am 06. Januar 755 in Stavelot ausgestellten Urkunde[37] überträgt ein Odilbertus dem Kloster einen Weinberg in Remagen[38] am Burdist[39].
Zu einem unbestimmten Zeitpunkt[40] überlässt Anglinus dem Priester Severus zur Nutznießung die St.-Martins-Kirche in Wellin[41] mit ihren Gütern sowie anderen Besitz in Braibeteau auf der Wamme[42].
In einer unechten Urkunde mit fehlender Datierung[43] soll König Childerich (III.) dem Abt Anglinus et den Mönchen der Klöster von Stavelot und Malmédy[44]  Besitz und Immunität und insbesondere die Zoll- und Abgabefreiheit für Dinant und Huy bestätigt haben[45].
Laut einer im 17. Jahrhundert verfassten Chronik von François Laurenty[46] soll Anglinus in der St. Peter-Kirche von Xhignesse[47] bestattet worden sein.   


[1] Original verloren. Überlieferung: Chartular des 13. Jahrhunderts von Stavelot-Malmédy und danach die späteren Abschriften. Drucke in Auswahl: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, in: Monumenta Germaniae historica –nachfolgend MGH-, Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover 2011, Nr. 15 S. 34-36; Halkin Jos. et Roland C.-G., Recueil des chartes de l'abbaye de Stavelot-Malmédy, I (Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique), Bruxelles 1909, Nr. 17 S. 46-50; Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica. Diplomata maiorum domus regiae. Diplomata spuria, hg. von Karl A. F. Pertz, in: MGH Diplomatum Imperii I, Hannover 1872, Neudruck Stuttgart 1981, Nr. 15 S. 102. Vgl. Heidrich Ingrid, Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, in: Archiv für Diplomatik 11/12, 1965/66, 71-279, Nr. A 13 S. 242; Baix François, Etude sur l'abbaye et principauté de Stavelot-Malmédy. I: L'Abbaye Royale et Bénédictine (Des Origines à l'Avènement de S. Poppon, 1021), Paris-Charleroi 1924, S. 62-65.
[2] Factum est astipulatione subnixa in villa Vuasidio publice […]: Belgien, Provinz Liège/Provinz Lüttich, arrondissement/Bezirk Waremme.
[3] Die Abschriften der Urkunde tragen keine Jahresdatierung: […] sub die quod fecit menses iunius dies VI, regnante Hildrico rege […]. Vermutet wird das Jahr 747 oder auch das Jahr 746 (siehe Heidrich, Die Urkunden, wie Anm. 1, S. 35).
[4] Zum Rechtsinhalt dieser Schenkung, siehe Kasten Brigitte, Beneficium zwischen Landleihe und Lehen - eine alte Frage, neu gestellt, in: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000, Sigmaringen 1998, 243-260, hier S. 255-256. Die villae sollen an das Kloster übergehen, deren Nutznießung sollte jedoch dem Abt Anglinus allein zustehen.
[5] […] Signum illuster vir Drogone filio eius consentiente. […]
[6] Seltener Name in dieser Form (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Neudruck München 1966, Sp. 109). Die Eckdaten seiner Amtszeit als Abt in Stavelot-Malmédy sind unbekannt. Nach den im 13. Jahrhundert kompilierten Series abbatum Stabulensium hätte er das Kloster 44 Jahre geleitet (MGH Scriptorum 13, ed. O. Holder-Egger, Hannover 1881, Nachdruck 1963, S. 292-294; vgl. Halkin/Roland, wie Anm. 1, S. XV). Auf die Namen, die vor Anglinus in den Listen stehen, ist kein Verlass (vgl. Baix, wie Anm. 1, S. 58 Anm. 70). Ein Bischof Rabangarius ist belegt als Vorsteher von Stavelot/Malmédy in einer Gerichtsurkunde des Hausmeiers Karl Martell von Dezember 720 (Heidrich, die Urkunden, wie Anm. 1, Nr. 10 S. 23-26). Für Anglinus' Nachfolger Abt Albricus haben wir gar keine datierte Urkunde (Halkin/Roland, wie Anm. 1, Nr. 22 und 23). Albricus indignus clericus et abba erwähnt wohl in einer Urkunde eine Schenkung, die er von seinem senior König Pippin (751-768) erhielt, aber es ist ungewiss, ob er zu diesem Zeitpunkt die Abtswürde schon besaß. Vgl. Baix, ebd., S. 57-60, 66-68>. Die Listen sehen einen Ailulfus als Nachfolger von Anglinus. Es muss sich hier aber um eine Fehlinterpretation handeln. Dazu Baix, ebd., S. 57-60, 66-68; Berlière Ursmer, Monasticon belge 2: Province de Liège, Maredsous 1928, reproduction anastatique Liège 1962, S. 72.
[7] Die Gründung der Doppelabtei Stavelot (Stablo)-Malmedy (Belgien, Provinz Lüttich, Bezirk Verviers) geht auf die Jahre 647-650 zurück. Diese besteht aus zwei einige Kilometer voneinander entfernten Klöstern: Stavelot auf der Amel (französisch: Amblève), ein Nebenfluss zur Ourthe in Ostbelgien, das zur Diözese Tongern-Maastrich-Lüttich gehörte, und Malmedy, auf der Warchenne (Nebenfluss der Warche), das in Kölns Zuständigkeitsbereich fiel. Die Geschichte der zwei Klöster, die in Personalunion von einem Abt geleitet wurden, ist geprägt von dem fast ständigen Zwist um Vorherrschaft oder Unabhängigkeit. Dieser endet erst mit der Aufhebung beider Klöster in den Wirren der französischen Revvolution. Vgl. die angegebene Literatur in: Lapière Marie-Rose, La lettre ornée dans les manuscrits mosans d'origine bénébdictine (XIe-XIIe siècles), Paris 1981, S. 245 Anm. 1.
[8] […] Lenione cum omnibus appenditiis suis in pago Condustrinse, Caldina, Mosania, Vuarsipio et Barsina, nec non et Rudis, Provote, Halma et Haist in Guoldo manso, Solania similiter et villam que vocatur Vuadalino cum omnibus appenditiis suis, Rudis, Olisna, Ferario, Palatiolo et Brabante […]: Zu folgenden Identifikationen, siehe die angegebene Literatur von "Heidrich, Die Urkunden", wie Anm. 1, S. 34-35 und außerdem Nonn Ulrich, Pagus und Comitatus in Nierderlothringen. Untersuchungen zur politischen Raumgliederung im früheren Mittelalter, in: Bonner historische Forschungen 49, 1983, S. 105 Anm. 427; Manfred van Rey, Die Lütticher Gaue Condroz und Ardennen im Frühmittelalter. Untersuchungen zur Pfarrorganisation, in: Rheinisches Archiv 102, Bonn 1977, S. 99-101; Baix, wie Anm. 1, S. 62-65; Halkin-Roland, wie Anm. 1, S. 47-49.
[9] Leignon/Legnon, Ortschaft, die heute zur Stadt Ciney gehört, Belgien, Prov. Namur, Arr. Dinant. Siehe Heidrich, Die Urkunden, wie Anm. 1, für die anderen Namensformen.
[10] Naturräumliche Region, die im Gebiet Sie liegt im Gebiet der wallonischen Provinzen Namur, Liège/Lüttich, Hainaut/Hennegau und ein wenig Luxemburg. Hauptstadt ist die Stadt Ciney.
[11] Conneux/Coneu, heute Ortsteil von Ciney.
[12] Massogne, Gemeinde Ciney (Jespers Jean-Jacques, Dictionnaire des noms de lieux en Wallonie et Bruxelles, Bruxelles, 2005 S. 428 schlägt Mosanville, Gemeinde Lives-sur-Meuse, Prov. Namur mit Fragezeichen vor).
[13] Ychippe, Weiler von Leignon/Ciney.
[14] Barcenne, heute ein Gut auf dem Gebiet der Gemeinde Ciney.
[15] Reux, Weiler der Gem. Conneux/Ciney.
[16] Purnode/Purnôde, Ortsteil von Yvoir, Prov. Namur, Arr. Dinant.
[17] Unsichere Identifizierung. Es gibt ein Halma als Ortsteil von Wellin, Prov. Luxemburg, Arr. Neufchâteau.
[18] Vermutlich Godinne, Ortsteil von Yvoir.
[19] Solongne/Sologne, eingegangener Ort, Gem. Bouvignes-sur-Meuse, Arr. Dinant, Prov. Namur.
[20] Wellin, Prov. Luxemburg, Arr. Neufchâteau.
[21] Reux, eingeganger Ort, Gem. Tellin, Arr. Neufchâteau.
[22] Vermutlich Wanne, Ortsteil der Gem. Trois-Ponts, Prov. Liège/Lüttich, Arr. Verviers
[23] Ferrières, Prov. Liège/Lüttich, Arr. Huy.
[24] Paliseul, Prov. Luxemburg, Arr. Neufchâteau.
[25] Braibeteau, eingegangener Ort bei Eprave, Ortsteil der Gem. Rochefort, Prov. Namur, Arr. Dinant.
[26] Verschreibung für Mosania? (oben wie Anm. 12).
[27] Barcenne, wie oben Anm. 14.
[28] […] in locis Mosali et Barsina quod homines nostri ex genere Condustrensi hic nominibus […].
[29] Original verloren. Überlieferung: Chartular des 13. Jahrhunderts (wie oben Anm. 1). Drucke in Auswahl: Heidrich, Die Urkunden, Nr. 16 S. 36-38; Halkin/Roland, Nr. 18 S. 51-53; MGH Diplom. Imp. 1, Nr. 16 S. 103. Vgl. Heidrich, Titulatur, Nr. A 14 S. 243; Baix, S. 54-55, 62 (alle wie Anm. 1).
[30] Wahrscheinlich ein Schreibfehler für Dura oder Duria = Düren, Nordrhein-Westfalen, Kreisstadt (Heidrich, Die Urkunden, S. 37; Dies., Synode und Hoftag in Düren im August 747, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 50, 1994, 415-440, hier S. 415-417).
[31] Lethernau: Belgien, Provinz Liège/Lüttich, Arr. Verviers
[32] Brastis (= ? Bra, Ortsteil der Gem. Lierneux), Feronio (siehe Baix, wie Anm. 1, S. 55), Unalia (ebd..) et Aldanias (? Odeigne, Ortsteil von  Manhay, Prov. Luxemburg, Arr. Marche-en-Famenne). Die Pertinenzien könnten interpoliert sein.
[33] Verlorene Urkunde. Siehe Heidrich, Die Urkunden, Deperditum Nr. 41 S. 88.
[34] Original verloren. Überlieferung: wie Anm. 1. Druck in Auswahl: Halkin/Roland, wie Anm. 1, Nr. 19 S. 53-54. Vgl. Baix, wie Anm. 1, S. 65.
[35] Vielleicht der zukünftige Abt von Stavelot-Malmédy (Baix, ebd., S. 66).
[36] […] in loco nuncupante Linarias que est sita intra fundum Ardenne […]: Belgien, Prov. Luxemburg, Ortsteil Stadt Marche-en-Famenne (vgl. Baix, ebd., S. 66 Anm. 110)
[37] Verlorene Urkunde: Halkin/Roland, wie Anm. 1, Nr. 20 S. 55-56. Vgl. Baix, ebd., S. 65.
[38] […] in castro Rigomo super fluvio Burdist […]: Rheinland-Pfalz, Lkr. Ahrweiler (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 25, 2003, S. 252).
[39] Bach bei Remagen (Alfred Hunold, Der Nordwestblock nach Hans Kuhn: Germanisch, Indogermanisch, oder zeigen sich noch ältere Sprachschichten? Auf den Spuren einer der ältesten Sprachschichten, Norderstedt 2011, S. 233).
[40] Verlorene Urkunde: Halkin/Roland, ebd., Nr. 21 S. 56-57. Die Urkunde kann nur nach der Zeit Pippins Herrschaft als König datiert werden (751-768), da das Todesdatum des Abtes Anglinus unbekannt ist. Vgl. oben Anm. 6.
[41] […] in Wadlino, id est ecclesiam sancti Martini cum mancipiis, […].
[42] […] simili modo et in alio loco cognominante Brachanto super fluviolo Uemena […]. Zu Braibeteau und das Flüsschen Wamme anstatt Lomme, siehe Halkin/Roland, wie Anm. 1, S. 57 Anm. 1; Baitz, wie Anm. 1, S. 65.
[43] Überlieferung: wie Anm. 1, vermutlich vor 814 abgefasst. Drucke in Auswahl: Die Urkunden der Merowinger, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. v. Theo Kölzer unter Mitwirkung von Martina Hartmann und Andrea Stieldorf, 1, in: MGH Diplomata regum Francorum e stirpe merovingica, Hannover, 2001, Nr. 192 S. 477-480; Halkin/Roland, wie Anm. 1, Nr. 16 S. 43-46; MGH Diplomatum Imperii I, wie Anm. 1, Nr. 97 S. 87-88. Vgl. Werner Matthias, Der Lütticher Raum in frühkarolingischer Zeit, in: Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 62, Göttingen 1980, S. 362-363 Anm. 44; Baix, wie Anm. 1, S. 60-62. Der Urkunde fehlt die Datierung: Als Begrenzungsdaten sind die Jahre 743 (Regierungsbeginn Childerichs III.) und 747 (Klostereintritt des Hausmeiers Karlmann) anzusehen, als Monat vielleicht Juli (siehe Kölzer, ebd., S. 477-478, 480 Anm. h).
[44] […] Ergo dum et Anglinus abba, qui etiam monasteria Stabulaus  et Malmundario, qui ponuntur in foresta nostra Ardinna … videntur esse constructa … vel ipsorum monachorum, ubi basilicas in honore domnorum sanctorum Petri et Pauli et sancti Martini videntur esse constructas […].
[45] […] omne emunitati hic ipsum monasteria, qui in Dionante castro et in Hogio commorari videntur […): Dinant, Belgien, Prov. Namur; Huy, Prov. Liège/Lüttich.
[46] Text laut Arsène de Nouë, Les manuscrits de François Laurenty, prieur de l'abbaye de Malmédy, in: Annales de l'Académie d'archéologie de Belgique 21, 2e série, tome premier, Anvers 1865, 574-611, hier S. 594: […] in ecclesiâ St. Petri de Xhignesse a Plectrude Pippini Herstalli conjuge olim ædificata sepulturam accepit ubi etamnum quiescit […]; auch Baix, wie Anm. 1, S. 66 Anm. 108; Halkin/Roland, wie Anm. 1, S. XXVIII n. 5. Zu den Handschriften der Chronik, vgl. Nouë, ebd., S. 583-584.
[47] Dorf der Gemeinde Hamoir (Hamwer), Prov. Liège/Lüttich, Arr. Huy.

29.04.2013, überarbeitet 04.01.2015, 22.11.2015