H O R M U N G U S

belegt im Jahr 750 als Abt von Maroilles

Am 17. August 750[1] entscheidet der inluster vir Pippinus maior domus mit ungenannten Großen und Bischöfen[2] in der Pfalz Attigny[3] einen Rechtstreit[4] zwischen dem Abt von Saint-Denis Fulradus[5] und Hormungus[6], Abt von Maroilles[7] zugunsten des Ersteren. Streitobjekt war im Fiskalgut Solesmes [8] das St.-Martins-Oratorium Croix[9] mit Zubehör[10] in Wassigny[11], Vertino[12], Santa[13], Albuniaco[14], Farinaria[15]. Fulradus konnte die Schenkungsurkunden der Könige Childeberts[16] und Chlothars[17] sowie eine Gerichtsurkunde Dagoberts[18] vorlegen, Hormungus die Urkunde, mit welcher der inluster vir Rodbertus[19] die betreffenden Güter dem Kloster St. Peter in Maroilles übergab sowie die Bestätigung dieser Schenkung durch König Chlothar[20]


[1] Original verloren. Überlieferung: Chartular von St. Denis, genannt "Livre des privilèges", vermutlich zusammengestellt auf der Grundlage eines Chartulars des 12. Jahrhunderts (vgl. Rolf Grosse, Remarques sur les cartulaires de Saint-Denis aux XIIIe et XIVe siècles, in: Les cartulaires, actes de la table ronde …, Paris, 1993 [Mémoires et documents de l'Ecole des chartes 39, 279-288], S. 282-284), fol. 24v. 25; Mabillon J., De re diplomatica libri VI, Paris, 1681, 2. Ed., Paris, 1709, Nr. 38 S. 489-490. Drucke in Auswahl: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Heidrich Ingrid, Monumenta Germaniae historica –fortan MGH- Diplomata maiorum domus regiae e stirpe Arnulforum, Hannover, 2011, Nr. 21 S. 45-48; MGH Diplomatum Imperii I. Diplomata maiorum domus regiae, ed. Georg Heinrich Pertz, 1872, Nchdruck 1965, Nr. 21 S. 108-109 zu 749. Die zeitliche Einordnung zu 750 ist eindeutig, da die Königserhebung Childerichs III. Anfang des Jahres 743 (vor dem 02. März) sicherlich stattgefunden hat (Glatthaar Michael, Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs, in: Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 17, 2004, S. 140-145; Weidemann Margarete, Zur Chronologie der Merowinger im 7. und 8. Jahrhundert, in: Francia 25/1, 1998, 177-230, hier S. 209-212).
[2] […] una cum optimatibus vel pontificibus, apostolicis patribus seu et inlustribus viris ducibus atque comitibus […]: Laut Heidrich deutet diese Ansammlung von weltlichen Großen und Bischöfen auf eine kombinierte Reichssynode und Reichsversammlung um Mariäe Himmelfahrt - zwei Tage vorher - hin (Heidrich Ingrid, Synode und Hoftag in Düren im August 747, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 50, 1994, 415-440, hier S. 439-440).
[3] […] Attiniaco villa in palatio nostro […]: Zu der Pfalz Attigny, siehe Barbier, Josiane, Palais et fisc à l'époque carolingienne: Attigny, in: Bibliothèque de l'Ecole des chartes 140, 1982, 133-162,  besonders S. 134, 136, 140.
[4] Zum geschichtlichen Überblick dieses Rechtstreites, s. Helvétius Anne-Marie, Abbayes, évêques et laïques. Une politique du pouvoir en Hainaut au Moyen Age (VIIe-XIe siècles), in: Crédit Communal – Collection Histoire IB-8° - n° 92, Bruxelles, 1994, S. 115-118.
[5] 748/750 †784. Sein Vorgänger Amalbertus ist nur einmal urkundlich belegt, und zwar am 11. Februar 748 (Die Urkunden der Arnulfinger, wie Anm. 1, Nr. 18 S. 41-42). Sein Todesdatum ist unbekannt .
[6] Dieser Name ist sonst nicht bekannt. Soll es eine Verschreibung für Hornungus sein? (Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn, 1900, Neudruck München 1966, Sp. 867).
[7] […] venerabilis vir Hormungus abba de monasterio Marigilo […]: Maroilles,  Frankreich, département Nord, arrondissement Avesnes-sur-Helpe, canton Landrecies. Pippins Urkunde bringt ein wenig Licht in die Geschichte des Klosters während der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Zur Geschichte des im 7. Jahrhundert gegründeten Kloster, s. Helvétius, wie Anm. 4, S. 106-118; Gallia Christiana, 3, Paris, 1876, Sp. 127-128; Acta Sanctorum belgii selecta 4, hg. von Joseph Ghesquiere und Corneille Smet, Bruxelles, 1787, S. 162. Nach dem ersten Abt Humbertus, der um 680 starb, ist vor Hormungus kein Abtsname überliefert. Erst am Anfang des 9. Jahrhunderts wird  wieder in den erhaltenen Quellen mit Rodinus  ein Abt genannt (Helvétius, ebd., S. 200).
[8] […] infra fiscum Solemiun […]: Solesmes, Nord, arr. Cambrai, ch.-l. cant., ca. 7 km nord-westlich von Croix (Helvétius, wie Anm. 4, S. 116 Anm. 70; Stoclet Alain J., Evindicatio et petitio. Le recouvrement de biens monastiques en Neustrie sous les premiers Carolingiens. L'exemple de Saint-Denis, in: Beihefte der Francia 16/2. La Neustrie. Les pays au nord de la Loire ..., 2, 1989, 125-149, hier S. 148). Zu Solesmes und Croix, s. Peters Ralf, Die Entwicklung des Grundbesitzes der Abtei Saint-Denis in merowingischer und karolingischer Zeit, Diss. Univ. Düsseldorf, Aachen, 1993, S. 133-136, der der Meinung ist, dass es sich "um zwei separate, aber unmittelbar aneinander grenzende Güterkomplexe handelt".
[9] […] oratorium aliquod, cui vocabulum est Crux, quod est constructum in honore sancti Martini et ponitur in pago Hainoavio […]: Croix, heute Croix-Caluyau, ca. 15 km westlich von Maroilles (s. Helvétius, wie Anm. 4, S. 115 Anm. 68; Stoclet, wie Anm. 8, S. 144). Das Streitobjekt, in pago Fanmartense (s. nächste Anmerkung) cella qui dicitur Cruce qui aspicit ad fisco Solemnio quem domnus Childobertus quondam rex ad casa sancti Diunisii per sua preceptione concessit, wurde nochmals mit anderen Gütern im Jahr 751 von Pippin dem Kloster bestätigt (Heidrich, wie Anm. 1, Nr. 23 S. 113-117; s. Helvétius, ebd., S. 117).   Die Bezeichnung Hennegau/Hainaut (Karte des pagus bei Helvétius, S. 41) scheint den älteren Name pagus Famars, belegt vom 7. bis ins 9. Jahrhundert, verdrängt zu haben (Nonn Ulrich, Pagus und Comitatus in Nierderlothringen. Untersuchungen zur politischen Raumgliederung im früheren Mittelalter, in: Bonner historische Forschungen 49, 1983, S. 125).
[10] […] una cum adiacentiis suis in loca nuncupata Uuassoniaco, Vertino, Santa, Albuniaco, Farinaria […].
[11] in … Uuassoniaco: Wassigny, Aisne, arr. Vervins, ch.-l. cant. (Heidrich, wie Anm. 1, Ortsnamenindex, S. 206;  Jacobs A., Etude sur la géographie des diplômes mérovingiens,in: Revue des sociétés savantes des départements, 2e série, 7, 1862, 52-67, 162-168., 232-251, hier S. 235; Nonn, wie Anm. 9, S. 125 Anm. 584 gibt den Ort als nicht identifiziert an).
[12] Vielleicht Vertain, Nord, arr. Cambrai, cant. Solesmes (vgl. Heidrich, ebd., Ortsnamenindex, S. 205; Nonn, ebd., S. 122 Anm. 584; Jacobs, ebd., S. 235).
[13] Vielleicht Sains-du-Nord, dépt. Nord, arr. Avesnes-sur-Helpe, cant. Avesnes-sur-Helpe Sud (vgl. Nonn, ebd., S. 122 Anm. 584; Heidrich, ebd., Ortsnamenindex, S. 204 gibt ihn es nicht identifiziert an).
[14] Nicht identifizierbar (vgl. Heidrich, ebd., Ortsnamenindex, S. 197; Nonn, ebd., S. 122 Anm. 584).
[15] Vielleicht Farnières, Nord, arr. Cambrai (vgl. Heidrich, ebd., Ortsnamenindex, S.200; Nonn, ebd., S. 122 Anm. 584 "nicht identifiziert").
[16] Die Urkunden der Merowinger, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. von Theo Kölzer unter Mitwirkung von Martina Hartmann und Andrea Stieldorf, in: MGH Diplomata regum Francorum e stirpe merovingica, Hannover, 2001, 1, Nr. 159 S. 395-398 vom 12. März  710. Es handelt sich hier um König Childebert III. (694-711).
[17] MGH DD Merov., II, Dep. Nr. 253 S. 606. Meistens wird angenommen,  dass hier Chlothar III. gemeint ist (657-673). Vgl. Heidrich, wie Anm. 1, S. 108-109.
[18] MGH DD ebd., Nr. 365 S. 648. Es handelt sich um Dagobert III., König des Gesamtreichs von 711 bis 715.
[19] Verlorene Urkunde.Der hier zum Hochadel zuzurechnende inluster vir Rodbertus kann zeitlich nicht sicher zugeordnet werden. Es könnte sich um den vir illustris Radobertus, der das Kloster Maroilles gründete und der 674 schon verstorben war (siehe Helvétius, wie Anm. 4, S. 106-107. König Chlothar wäre dann Chlothar III. [657-673, siehe unten Anm. 19]. Dazu die Bemerkungen von Heidrich, wie Anm. 1, S. 47) oder um den in den 30-40er Jahren des 8. Jahrhunderts im Haspengau amtierenden comes (dux) Rotbertus . Nur weiß man nicht, ob dieser mit früher belegten anderen Trägern des Namens identifiziert werden kann, sollte Chlothar IV. (717-?718) die Schenkung bestätigt haben (Werner Matthias, Der Lütticher Raum in frühkarolingischer Zeit, in: Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 62, 1980, S. 195-196 mit Anm. 59). Zu dieser Frage, ohne sich festzulegen, Heidrich, wie Anm. 1, S. 46-47; Helvétius, wie Anm. 4, S. 116-118, die sich für den Vertrauten Karl Martells entscheidet, wie auch Peters, wie Anm. 8, S. 135-136. Der schon zitierte Werner äussert sich sehr zurückhaltend.
[20] MGH DD regum Francorum e stirpe Merovingica, II, Dep. 250 S. 605. Hier wird behauptet, "dabei kann es sich ... nur um Chlothar III. handeln" (657/673). Dieser Punkt kann aber nur mit Sicherheit beantwortet werden, wenn feststehen sollte, um welchen  Rodbertus es sich handelt (siehe Anm. 19).

11.06.2011, überarbeitet 27.06.2012, 05.01.2014