R I C O L F U S[1]

Bischof von Köln, möglicherweise von ungefähr 762 bis 784

Die in einer Handschrift aus der Mitte des 11. Jahrhundert enthaltenen Annales Blandinienses[2] erwähnen[3]  einen Gütertausch[4] zwischen dem Abt Scoranus[5] und dem Bischof Ricolfus[6].
In einem Gedicht, das Alcuinus vermutlich in England nach seiner Rückkehr aus Rom im Jahr 781[7] schrieb und in welchem er seine Begegnungen auf dem Kontinent erwähnt[8], erwähnt  er, dass er patrem Ricvulfus[9] in der urbs Agripina[10] begrüßt hat.
Die verschiedenen Bischofslisten von Köln[11], deren ältesten Teil Ende des 9. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde[12], bringen Riculfus (Richolfus, Ricolfus, Racholfus, Riculphus) zwischen Berthelmus[13] und Hildeboldus[14], einige sub Karolo magni[15], andere mit einer Amtszeit von 22 Jahren[16].
Die Commemoratio Riculphi[17] archiepiscopi[18] steht zum 12. September[19] im Nekrolog der Kirche St. Lambert von Lüttich[20]. Aber im jüngeren der beiden Sakramentare der Kölner Dombibliothek, das im 10. Jahrhundert geschrieben wurde, steht der später (zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert) eingetragene  Memorialeintrag von (Bischof) Rihholf zum 16. Januar[21].
Nach dem 08. Juni 777[22] empfängt in Köln Albricus die Bischofs-[23] und  Liudgerus[24] die Priesterweihe[25].


[1] Ricvulfus, Richolfus, Riculfus, Riculphus, Racholfus. Zum Namen, vgl. Förstemann Ernst, Altdeutsches Namenbuch. I: Personennamen, Bonn 1900, Nachdruck München 1966, Sp. 1271.
[2] Les Annales de Saint-Pierre de Gand et de Saint-Amand. Annales Blandinienses, Annales Elmarenses, Annales Formoselenses, Annales Elnonenses, publiées par Grierson Philip (Commission royale d'histoire. Recueil de textes pour servir à l'étude de l'histoire de Belgique), Bruxelles, 1937, S. 8-9; Monumenta Germaniae historica, -fortan MGH-, Scriptorum -fortan SS- V, Hannover 1844, Nachdruck 1963, ed. Ludwig Bethmann, S. 22. Diese Annalen "gehen auf ältere Annalen des Klosters St. Peter zu Gent zurück, die in der Mitte des 10. Jahrhunderts aus verschiedenen Quellen kompiliert worden sind" (Boschen Lothar, Die Annales Prumienses. Ihre nähere und ihre weitere Verwandtschaft, Düsseldorf 1972, S. 114; Grierson, ebd., S. IX-XXIII, XXVIII-XXXI; Ders., The early abbots of St. Peter's of Ghent, in: Revue bénédictine 48, Maredsous 1936, Neudruck 1966, 129-146, hier S. 134-143). Die angegebenen Daten sind meistens wertlos.
[3] Zum Jahr 768: Karolus suscepit regnum. Et hoc anno commutaverunt Scoranus abba et Ricolfus episcopus quasdam res. Das für den Tausch angegebene Datum kann nicht berücksichtigt werden, obwohl nicht unmöglich (vgl. Grierson, The early abbots, S. 135, 145).
[4] Diese Güter sind nicht genannt und der Tausch ist im Liber traditionum des Klosters Blandigny (St. Peter in Gent, Belgien) aus dem 10. Jahrhundert nicht erwähnt (Gysseling M. & Koch A. C. F., Diplomata Belgica ante annum millesimum centesimum scripta. I: Teksten, in: Bouwstoffen en Studien voor de Geschiedenis en de Lexicografie van het Nederlands 1, 1950, S. 123-138).
[5] Scoranus ist Abt von Blandigny (Sankt-Petersabtei, ndl. Sint-Pietersabdij,ehemalige Benediktinerabtei in Gent, Belgien). Seine Amtszeit kann nicht näher datiert werde, da die Angaben der Annalen (wie Anm. 2) nicht berücksichtigt werden können.
[6] Es wird im Allgemeinen angenommen, dass es sich hier um Ricolfus von Köln handelt, da kein anderer Bischof dieses Namens für diese Zeit bekannt ist (vgl. Oediger Friedrich W., Die Regesten der Erzbischöfe von Köln, 1 (313-1099), in: Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 21, 1954-1961, S. 34 Nr. 78; Engels Odilo et Weinfurter Stefan, Series episcoporum Ecclesiae catholicae occidentalis ab initio usque ad annum MCXCVIII. Series V: Germania. T. I: Archiepiscopatus Coloniensis, Stuttgart 1982, S. 12; Grierson, The early abbots, S. 145 Anm. 4). Richulfus von Mainz wird erst 787 geweiht und kommt deshalb nicht in Frage.  
[7] MGH Poeta latini aevi Carolini, I, hg. von Ernest Dümmler, 1891, Neudruck 1964, S. 220-223 (= IV/1, hg. von Paul de Winterfeld, 1899, Nachdruck 1964), hier S. 221. Alcuinus war beauftragt worden, in Rom das pallium des neuen Erzbischofs von York, Eanbaldus, Nachfolger des Helbertus (= Aelbertus), gestorben am 08. November 780, abzuholen. Laut seiner Vita trifft Albinus/Alchuinus Karl d. Gr. in Parma, wo der König am 15. März 781 weilte (Vita Alcuini, ed. W. Arndt, in: MGH SS XV/1, Hannover 1887, Nachdruck 1963, c. 8-9, S. 182-183, 189-190; vgl. Böhmer Johann Friedrich, Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 715-918, neubearb. von Engelbert Mühlbacher, vollendet von Johann Lechner (Innsbruck ²1908), mit Ergänzungen von Carlrichard Brühl – Hans H. Kaminsky, Hildesheim 1966, Nr. 235 und 235a S. 98; Abel Sigurd, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen, I, 2. Auflage bearb. von Bernhard Simson, Leipzig, 1888, S. 323-326). Vermutlich hat Alcuinus dieses Gedicht nach seiner Heimreise verfasst (vgl. Duckett Eleanor Shipley, Alcuin, friend of Charlemagne. His World and His Work, Hamden, Connecticut 1965, S. 33-36; Oediger, wie Anm. 6, S. 35 Nr. 80; Neuss Wilhelm und Oediger Friedrich Wilhelm, Geschichte des Erzbistums Köln. 1: Das Bistum Köln von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, Köln 1964, S. 146-147; Dümmler Ernst, Zur Lebensgeschichte Alchvins, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichte 18, Hannover und Leipzig, 1893, 51-70, hier S. 58-59).
[8] Urbs Agripina tibi pandit, scio, tecta benigne: Hic humili patrem Ricvulfum voce saluta.
[9] Ein vermutlich zwischen 788 und 791 von Angelbertus (wird Abt von St. Riquier) geschriebenes Gedicht enthält nur Grüße und Segenswünsche für Petrus (von Pisa) und die Bitte, er möge für Karl und die Seinen beten und auch des Angilrammi (von Metz) und des Rigulfi nicht vergessen (MGH Poeta I, wie Anm. 7, S. 75; Neff Karl, Die Gedichte des Paulus Diaconus. Kritische und erklärende Ausgabe, in: Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, 3, 4. Heft, München 1908, S. 162). Es kann sich deswegen nur um den Mainzer Bischof handeln.
[10] Der Name Köln, zur Römerzeit Colonia Claudia Ara Agrippinensium, geht auf die römische Kaiserin Agrippina zurück, die als Stadtgründerin gilt.
[11] MGH SS XIII, Hannover 1881, Nachdruck 1963, ed. O. Holder-Egger, S. 282-286; MGH SS XXIV, Hannover 1879, Nachdruck 1964, ed. H. Cardauns, S. 332-367; Duchesne L., Fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule. 3: Les provinces du Nord et de l'Est, Paris 1915, S. 175-178. Vgl. Oediger, wie Anm. 6, S. 34 Nr. 76; Engels/Weinfurter, wie Anm. 6, S. 12.
[12] Duchesne, wie Anm. 11, S. 177-178.
[13] Berethelmus  ist nur im Jahr 762 urkundlich belegt (siehe Artikel).
[14] Hildibaldus ist erstmals mit Sicherheit 787/788 bezeugt (vgl. Oediger, wie Anm. 6, S. 36 Nr. 86).
[15] MGH SS XIII, wie Anm. 11, S. 284. Aber andere Quellen bringen sub Pippino … anno 10 (MGH SS XXIV, wie Anm. 11, S. 337, 348, 359).
[16] Die von den Bischofslisten angegebenen Amtszeiten für Berthelmus und seine Nachfolger Ricolfus und Hildibaldus – 10, 22 und 34 Jahre – ergeben eine richtige Summe: Hildiger, Berethelmus' Vorgänger, stirbt im Jahr 753 und Hildibaldus im Jahr 818. Nach diesen Jahresangaben hätte Ricolfus den Kölner Bischofssitz ungefähr von 762 bis 784 belegt.
[17] Die in der Mitte des 13. Jahrhunderts verfasste Karlamagnús saga ist eine altnorwegische (teils auch als altisländisch eingestufte) Prosa-Kompilation, in deren Zentrum der zur Sagenfigur gewordene Karl der Große steht. Sie erzählt, dass der Sachse Wittekind Köln erobert und den Bischof getötet hätte (cf.). Die Quellen kennen wohl für das Jahr 778 einen Aufstand der von Widukind geführten Sachsen, die die Gegend rechts des Rheins von Deutz (heute ein Stadtviertel von Köln) bis zum Zusammenfluss mit der Mosel verwüsten, wissen aber nichts von einem gewaltsamen Tod des Bischofs (Kramarz-Bein Susanne, Die þiðreks saga im Kontext der altnorwegischen Literatur, in: Beiträge zur nordischen Philologie 33, Tübingen; Basel, 2002 [Bonn, Univ., Habil.-Schr., 1996/97]; vgl. Oediger, wie Anm. 6, S. 35 Nr. 81; Neuss/Oediger, wie Anm. 7, S. 147 Anm. 18; Abel-Simson, wie Anm. 7, S. 252-253). 
[18] Der genaue Zeitpunkt, zu dem Riculfus' Nachfolger Hildibaldus Metropolit und Köln Metropolitanbistum wurde, ist nicht überliefert, erfolgte aber mit Sicherheit erst nach 794/95 und vor 811 (Pangerl Daniel Carlo, Die Metropolitanverfassung des karolingischen Frankenreiches, in: MGH Schriften 63, Hannover 2011, S. 121-129).
[19] Marchandisse Alain, L'obituaire de la cathédrale Saint-Lambert de Liège (XIe-XVe siècles), Bruxelles 1991, S. 121. Dieser Necrolog, wahrscheinlich aus dem 12./13. Jahrhundert, ist nur aus Kopien des 17. und des 20. Jahrhunderts bekannt, aber der Herausgeber hält die Daten des ursprünglichen Teils als "de première valeur" (ebd. S. XXXIX-LXXI). Vgl. Wellmer Hansjörg, Le Nécrologue de la cathédrale Saint-Lambert de Liège, in:.Le Moyen Age, 74 (4e série, 23), 1968, 421-438, hier S. 434 Anm. 39.
[20] Belgien, Lüttich/Liège, Hauptstadt der Provinz und Sitz des Bistums Lüttich.
[21] Cod. 88, fol. 3v, Nachtrag an der rechten Seite (online: https://de.wikipedia.org/wiki/Ricolf). Vgl. Finger Heinz, Memoria im frühmittelalterlichen (Erz-)Bistum Köln, in: Nomen et fraternitas, hg. von Ludwig Uwe und Schilp Thomas, Berlin 2008, 297-316, hier S. 310.
[22] An diesem Tag empfängt die Kirche von Utrecht eine Urkunde Karls des Großen, in welcher Albricus noch als presbiter atque electus rector bezeichnet ist (MGH DD Karol. 1, Nr. 117 S. 163-164).
[23] Zu Albricus, vgl. W. Jappe Alberts/Stefan Weinfurter, Traiectum (Utrecht), in: Series episcoporum, wie Anm. 7, S. 173-174.   
[24] Der spätere Bischof von Münster. Vgl. Wolter Heinz, Monasterium (Münster), in: Series episcoporum, ebd., S. 113-115.
[25] Altfridi vita s. Liudgeri, in: MGH Scriptorum 2, ed. Pertz G. H., Hannover 1829, 403-419, lib. 1 c. 15, hier S. 408-409. Vgl. Oediger, wie Anm. 6, S. 34 Nr. 79.

19.09.2015