V U L G I S U S[1]

Bischof (? um 720/730)

Die von Folcuin in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts verfassten Gesta abbatum Lobbiensium erwähnen[2]  einen sanctus Vulgisus[3] episcopus[4] in Lobbes[5] für die Zeit des Abtes Erminus[6]. Er war in diesem Kloster bestattet[7] und sein dies natalicius[8] war zum 04. Februar in alten Martyrologien von Lobbes eingetragen[9].
Eine spätere Quelle, die von Jocundus[10] um die Jahre 1080[11] verfassten Miracula sancti Servatii[12], erzählt[13], dass imperator Karl[14], nach seinem Sieg gegen die Sarazenen[15], den Bischof Vulvegisus[16] nach Traiectum[17] geschickt hätte, um dort die Erhebung der Reliquien des hl. Servatius mit dem Maastrichter Bischof beatus Hubertus[18] zu veranlassen.


[1] Vulvegisus.
[2] MGH SS IV, S. 58-59. Zur Zeit ihrer Niederschrift, s. Dierkens, Alain, La production hagiographique à Lobbes au Xe siècle (Revue bénédictine, 93, Maredsous, 1983, 245-29), S. 254-255.
[3] Folcuinus nennt in Zusammenhang mit Abt Erminus von Lobbes sanctus Abel, sanctus Vulgisus episcopus und Amulvinus episcopus, gibt aber zu, dass er deren Aufgaben in Lobbes nicht präzisieren kann: (Erminus) habuit etiam et cooperatores sive successores, eiusdem loci gubernatores et coabbates ...; qui utrum sibi vicissim successerint, an, sancto Ermino spiritualibus occupato rebus, locum in commune tractaverint, nichil certi reliquit  antiquitas (MGH SS IV, S. 58 c. 5).
[4] Da für diese Zeit kein Diözesanbischof dieses Namens bekannt ist, kann es sich um einen episcopus ad praedicandum, aber auch einen Klosterbischof  handeln. Da Folcuinus dem Theoduinus, Nachfolger des Erminus, nur den Abtstitel gibt, obwohl dessen Nachfolger, Theodulphus, auch als episcopus bezeichnet wird (MGH SS IV, S. 58-59 c. 6 und 8), ist nicht auszuschließen, dass zur Zeit des Theoduinus das Bischofsamt in Lobbes noch von einem der Genannten ausgeübt wurde (dazu Dierkens, Alain, Abbayes et chapitres entre Sambre et Meuse, VIIe-XIe siècles. Contribution à l'histoire religieuse des campagnes du Haut Moyen Age [Beihefte der Francia, 14], Sigmaringen, 1985, S. 105 Anm. 124, 107, 292-293, 297-299; Frank, Hieronymus, Die Klosterbischöfe des Frankenreiches [Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens, 17], Münster in Westfalen, 1932, S. 33 und 36-37).
[5] Das Kloster lag in der Diözese Cambrai, aber genau an der Grenze mit der Diözese Tongern-Maastricht. Zu seiner strategischen Rolle, s. Dierkens, wie Anm. 4, S. 318-320; derselbe, Carolus monasteriorum multorum eversor et ecclesiasticarum pecuniarum in usus proprios commutator? Notes sur la politique monastique du maire du palais Charles Martel (Beihefte der Francia, 37. Karl Martell in seiner Zeit, hrsg. von Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter, unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch, Sigmaringen, 1994, 279-294), S. 288-289.
[6] Zweiter Abt von Lobbes (713-737). Vgl. Dierkens, wie Anm. 4, S. 103-104.
[7] Als Folcuinus die Gesta verfasste, war sein mausoleum (Grabstätte) noch zu sehen (MGH SS IV, S. 59 c. 7).
[8] Todestag.
[9] MGH SS IV, S. 59 c. 7: Pridie Nonas Februarii in Laubaco monasterio depositio sancti Vulgisi episcopi.
[10] Zu Jocundus, s. Boeren, P. C., Jocundus. Biographie de saint Servais, The Hague, 1972.
[11] Zu Entstehung und Datum der Miracula, s. Boeren, ebd., S. 86-89.
[12] MGH SS XII, S. 85-126. Sogar wenn man annimmt, Jocundus hätte ein älteres verlorenes Werk einsehen können (s. Boeren, ebd., S. 78), es bleibt dabei, dass die Ereignisse, die er schildert, keinen großen historischen Wert haben (s. Die Beispiele von Boeren, S. 81-86 und hier weiter unten).
[13] MGH SS XII, S. 93-94, 96.
[14] Jocundus verwechselt hier Karl der Große mit Karl Martell.
[15] Die Schilderung der Schlacht des Jocundus erinnert an den Sieg von Poitiers im Oktober 732. Zu denken wäre auch an den Sieg von Toulouse am 09. Juni 721 (dazu Boeren, wie Anm. 10, S. 98; Dierkens, wie Anm. 4, S. 105 Anm. 125). Gegen diese letzte Hypothese spricht aber, dass es der Herzog Eudo von Aquitanien war, der die Sarazenen besiegte, und nicht Karl Martel (dazu Rouche, Michel, L'Aquitaine des Wisigoths aux Arabes 418-781, Paris, 1983, S. 111-112).
[16] Es handelt sich hier sehr wahrscheinlich um den Bischof Vulgisus, der von Folcuinus erwähnt wurde (s. oben). Die Gesta sancti Servatii, verfasst Anfang des 12. Jahrhunderts von einem Autor, der das Original des Jocundus unter den Augen hatte, haben den Namen Willigisus (Wilhelm, Friedrich, Sanct Servatius oder Wie das erste Reis in deutscher Zunge geimpft wurde, München 1910, S. 85; cf. Boeren, wie Anm. 10, S. 116-118).
[17] Traiectum ad Mosam, lateinischer Name von Maastricht.
[18] Bischof von Tongern-Maastricht, gestorben im Jahr 727 (Engels Odilo und Weinfurter Stefan, Series episcoporum Ecclesiae catholicae occidentalis ab initio usque ad annum MCXCVIII. Series V: Germania. T. I: Archiepiscopatus Coloniensis, Stuttgart, 1982, S. 55-56). Die Erhebung der Gebeine könnte also zwischen 721 (?) et 727 stattgefunden haben (Dierkens, 1994, wie Anm. 5, S. 287-289; derselbe, Réflexions sur l'histoire religieuse de Maastricht à l'époque mérovingienne [Publications du CLUDEM, 16, Luxembourg, 2000, 541-565], S. 562-563; Hackeng Rolf, Het middeleeuwse grondbezit van het Sint-Servaaskapittel te Maastricht in de regio Maas-Rijn [Publicaties van het Regionaal Historisch Centrum Limburg, 1], Maastricht, 2006, S. 34-35, 259 [im Internet eingesehen]).

27.02.2011